Im Blut mussten wir gehen, im Blut mussten wir stehen, bis über die Schuh ..
Mit Nachrufen ist es immer so eine Sache - ich bin kein großer Freund von ihnen. Zum einen, weil ich es nicht besonders gut kann (mein Letzter war für “Sleazy” bei VICE damals und zog eine Unmenge an Klugscheißern an), weiters weil ich sie meist eine Auflistung von Dingen sind, die man über die betreffende Person sowieso schon weiß und letztlich auch, weil jemand gestorben ist, den man für gewöhnlich nicht tot sehen möchte. Ich schreibe diesen Nachruf aus Respekt vor einer Person, die mich stark künstlerisch und ästhetisch beeinflusst hat und bei der ich auch das Vergnügen hatte, ihn persönlich kennen zu lernen und das eine oder andere Bier zu trinken: Albin Julius.
Ich gehe davon aus, dass den meisten meiner Leser dieser Name kein Unbekannter ist, für alle anderen hier ein schneller “Rundown”: Albin gründete Anfang der 1990er mit seiner damaligen Lebensgefährtin Alzbeth die mittlerweile kultisch mystifizierte Band “The Moon lay hidden beneath a Cloud”, aus welcher einige Jahre später sein Opus Magnum “Der Blutharsch” (mit seiner Lebensgefährtin Martina) hervorgehen sollte. Kurz vor der Jahrhundertwende arbeitete er mit Douglas Pearce an den beiden Death In June-Platten “Take care and control” sowie “Operation Hummingbird”, welche Albins unverkennbaren Sound haben, er unterstützte die Band in dieser Zeit auch bei Live-Konzerten. 2002 veröffentlichte er mit Douglas und Boyd Rice zusammen als “Wolf Pact" eine gemeinsame Platte, die heute eher schon ein Geheimtipp ist - keine von den drei Diven hat in den letzten 10-15 Jahren miteinander geredet, auch die DI6-Platten mit Albin sind gefragte Sammlerobjekte, wurde ja eine Neupressung dem Vernehmen nach per gerichtlichen Erlass untersagt. Mit dem Blutharsch erreichte er schnell einen ähnlichen Kultstatus wie mit TMLHBAC, eckte auch gehörig an - wenn mich jemand fragt, wie man sich diese Band vorstellen kann, antworte ich gerne, dass es um ein Zwischending aus Laibach und Drahdiwaberl handelt. Wer den Blutharsch aus der Dose am Gipfel seines Schaffens nachsehen möchte, dem sei deren Live-Auftritt auf dem “God blast America”-Festivals von 2002 empfohlen, welches unter diesem Namen bei Tesco Org als DVD erschienen ist. Mitte der 2000er überwarf er sich mit der halben Szene im Allgemeinen und mit Douglas im Speziellen, der Sound seiner Band änderte sich langsam in Richtung psychodelischen Krautrocks, optisch näherte er sich Lemmy an und das sollte bis zu seinem Tod so bleiben. Ich gebe zu: mit seinem Spätwerk konnte ich nicht viel anfangen, wieso er unpassend weiter als “Der Blutharsch” veröffentlich hat, ist mir ein Rätsel, aber Albin war generell nicht jemand, der viel darauf gab, was andere für Richtig halten oder nicht. Das machte ihn zu dem Ausnahmekünstler, der er war.
Das erste Mal traf ich ihn Anfang 2002 im “The Monastery”, er saß beim Einlass und kommentierte mein “Blutharsch”-Shirt mit “Hey, das gefällt mir!”, später saß man gemeinsam an der Bar oben im kleinen Separeé und kommentierte das restliche Publikum des Abends. Im Prinzip ging das so die nächsten Jahre, die Szene in Wien war nicht groß, aber hatte Einfluß - Albin hat hier viel geleistet, mit WKN und SPQR hat er unzählige Künstler verlegt und bekannt gemacht, als Konzertveranstalter (HauRuck!) zusammen mit Herrn Wank aus dem “Totem” viele große Namen nach Wien geholt. Unvergessen für mich das Death In June-Konzert von 2002, bei welchem Boyd Rice als “NON” die Vorgruppe stellte und wer lange genug danach im “Mon” geblieben ist, konnte die drei mit ein paar Wolf Pact-Nummern und “People” auf der Bühne erleben.
Als ich Jahre später bei VICE angeheuert habe, kam ich mit Albin wieder stärker in Kontakt, wollte das Magazin nutzen, um Künstlern wie ihm eine Plattform zu bieten, daraus wurden viele Plattenbesprechungen (es gab Zeiten, da habe ich alle paar Wochen ein Packerl mit einer Platte, CD oder Kassette bekommen), ein längeres Interview und private Konzertbesuche mit ihm (sehr schön: Novy Svet in den Stadtbahnbögen, wo auch praktisch die ganze “Familie” anwesend war). Das ganze ging so gut, dass eines Tages eine der Blockwarte von “Der Standard” beim damaligen Chefredakteur anrief und ihn fragte, ober er “überhaupt weiß, wer diese Bands sind und das man das doch nicht bringen kann”. Es war eine andere Zeit, wir konnten und David hat mir diesen Schwank mit einem verschmitzten grinsen erzählt, wir haben gelacht, weitergetrunken und meine Besprechung der damals aktuellen Platte von Burzum in Druck geschickt.
Ich behalte Albin als eine Ausnahmepersönlichkeit in Erinnerung, als einen Berufsprovokateuer, der immer wieder neue Grenzen zum verschieben suchte und nie davor scheute, sich selbst neu zu erfinden - das ist eine der Phrasen, die man gerne über Musiker schreibt, bei Albin stimmt es aber, wie jeder bestätigen kann, der mit seinem Output der mittlerweile letzten 30 Jahre vertraut ist. Als ich heute nach dem Aufwachen von Kollegen Lichtmesz die Nachricht las, dass er gestern unerwartet verstorben sei, wollte ich das nicht glauben, sein Zeit war nicht gekommen, aber er hat tatsächlich den letzten Regenbogen entzündet und “gazed up into gods new hole”.
“Ruhe in Frieden” wäre seiner nicht würdig, ich hoffe, er spukt als fröhlicher Poltergeist durch den Wienerwald und vielleicht schmeißt er dort einmal einen Pilz nach mir.
Since I’m not going to do a English version, here’s a great and also very personal one by comrade Wegner: https://altwritewegner.substack.com/p/der-blutharsch-gone?s=r
Thankies. 🖤 (<- le coeur noir)
Lausche gerade seinem TMLHBC Werk von 1996 und vermisse ihn. Sehr korrekter Typ mit eigenem Geiste gewesen. Viel zu früh von uns gegangen.
Habe gestern lange überlegt, ob ich genau das Einleitungszitat verwenden soll.